Antinomie
Eine Antinomie (altgriechisch áüÃÂÃÂýÃÂÃÂÃÂï anti âÃÂÃÂgegenâÃÂàund ÃÂýÃÂÃÂÃÂüÃÂÿÃÂànomos âÃÂÃÂGesetzâÃÂÃÂ; sinngemÃÂäÃÂàâÃÂÃÂUnvereinbarkeit von GesetzenâÃÂÃÂ) ist eine spezielle Art des logischen Widerspruchs, bei der die zueinander in Widerspruch stehenden Aussagen gleichermaÃÂÃÂen gut begrÃÂündet oder (im Fall formaler Systeme) bewiesen sind.
BegriffsklÃÂärung
Antinomien finden sich der Sache nach, wenn auch nicht im Wortsinn bereits bei Platon (vergleiche Phaedon 102; Rep. 523 ff., Parm. 135 E). Die moderne Verwendungsweise geht auf einen juristischen Begriff des 17. Jahrhunderts zurÃÂück. Philosophische Bedeutung erhÃÂält er in Immanuel Kants Kritik der reinen Vernunft (KrV). In der transzendentalen Dialektik definiert Kant eine Antinomie als einen âÃÂÃÂWiderstreit der GesetzeâÃÂà(KrV A407/B434).
In der modernen Logik wird der Begriff nicht ganz einheitlich verwendet und ist zum Teil nicht scharf gegen den Begriff der Paradoxie abgegrenzt. Im deutschen Sprachraum ist es jedoch weitgehend ÃÂüblich, den Ausdruck âÃÂÃÂAntinomieâÃÂàfÃÂür solche WidersprÃÂüche zu reservieren, die im Rahmen eines formalen Systems streng beweisbar sind und somit auf einen Fehler bei der Konzeption der Schlussregeln oder der Axiome dieses Systems hinweisen (z.àB. die Antinomien der naiven Mengenlehre, die bekannteste ist die Russellsche Antinomie). Als Paradox oder Paradoxie (altgriechisch ÃÂÃÂÃÂñÃÂÃÂÃÂì para âÃÂÃÂneben, abseitsâÃÂàund ÃÂôÃÂÃÂÃÂþÃÂñ doxa âÃÂÃÂErwartung, MeinungâÃÂÃÂ, ÃÂÃÂÃÂñÃÂÃÂÃÂìÃÂôÃÂÿÃÂþÃÂÿÃÂý paradoxon âÃÂÃÂwider Erwarten, wider die gewÃÂöhnliche MeinungâÃÂÃÂ) wird dann im Gegensatz dazu meist eine wohlbegrÃÂündete Aussage bezeichnet, die der landlÃÂäufigen Meinung widerspricht, was aber keine echten logischen Schwierigkeiten bewirkt. Viele wissenschaftliche Einsichten kÃÂönnen in diesem harmlosen Sinn paradox erscheinen (z.àB. die Zwillingsparadoxie in der Einsteinschen RelativitÃÂätstheorie oder die sogenannten Paradoxien der materialen Implikation in der formalen Logik; vergleiche Relevanzlogik). Wohl unter dem Einfluss des Englischen, wo der Ausdruck antinomy nicht besonders verbreitet und in seiner Anwendung meist auf die Kantischen Antinomien beschrÃÂänkt ist, wird der Ausdruck âÃÂÃÂParadoxieâÃÂà(englisch paradox) jedoch hÃÂäufig auch in einem weiten Sinn verwendet, der auch die Antinomien umfasst.
Unter einem âÃÂÃÂWiderspruchâÃÂàwiederum wird in der modernen Logik einfach die Konjunktion aus einer Aussage und ihrer Negation verstanden, also eine Aussage der Form (lies: âÃÂÃÂA und Nicht-AâÃÂÃÂ). Dieser (sehr weit gefasste) Begriff verhÃÂält sich neutral gegenÃÂüber der Frage der Beweisbarkeit bzw. BegrÃÂündbarkeit und umfasst z.àB. auch solche WidersprÃÂüche, die im Rahmen eines indirekten Beweises eigens zu dem Zweck hergeleitet werden, eine der an der Herleitung beteiligten Annahmen zu negieren. Nicht jeder Widerspruch ist deshalb philosophisch problematisch.
Wiederum unabhÃÂängig von diesem âÃÂàim modernen Sinne logischen âÃÂàGebrauch wird das vieldeutige Wort âÃÂÃÂWiderspruchâÃÂàferner in der Hegelschen Dialektik vÃÂöllig anders verwendet und umfasst dort auch gesellschaftliche Antagonismen, Konflikte und ÃÂÃÂhnliches.
Antinomien in der modernen Logik, Mathematik und Sprachphilosophie
Unterscheidung semantischer und logischer Antinomien
GelÃÂäufig ist die Unterscheidung der Antinomien in semantische und logische.
Logische Antinomien sind Antinomien, die sich aus nur formallogischen GrÃÂünden ergeben. (Stattdessen spricht man auch von logischen Paradoxien oder mengentheoretischen Antinomien.)
Semantische Antinomien sind Antinomien, die sich aus der Semantik der verwendeten AusdrÃÂücke ergeben.[1] (Synonym ist auch von linguistischen oder grammatikalischen Antinomien die Rede[2]).
Logische Antinomien
Begriff
Das gemeinsame Kennzeichen der logischen Antinomien wird u.àa. von Alfred Tarski und Bertrand Russell in der âÃÂÃÂSelbstbeziehungâÃÂàoder âÃÂÃÂRÃÂückbeziehungâÃÂàgesehen.[3]
Beispiele
- das Burali-Forti-Paradoxon (Antinomie von Burali-Forti) (Antinomie der Menge aller Ordnungszahlen) (1897)
- die erste Cantorsche Antinomie (1897)
- die zweite Cantorsche Antinomie (Antinomie der Mengen aller Mengen) (1899)
- die Russellsche Antinomie (Antinomie der Menge aller Mengen, die sich nicht selbst als Element enthalten) (1901/1903);
- anschaulich: Antinomie des Barbiers
LÃÂösungen
Zur ÃÂÃÂberwindung logischer Antinomien wurde von Bertrand Russell die sogenannte Typentheorie eingefÃÂührt.
Kritisiert wird an ihr, dass sie zwar die Russellsche Antinomie vermeide, nicht aber die Paradoxien von Epimenides (Antinomie des LÃÂügners) und Grellings lÃÂöse[4] und im ÃÂÃÂbrigen mit einer âÃÂÃÂkÃÂünstlich erscheinenden HierarchieâÃÂàarbeite.[4]
Semantische Antinomien
Beispiele
- das LÃÂügner-Paradox (die Antinomie des LÃÂügners);
- die Grelling-Nelson-Antinomie.
LÃÂösungen
Eine MÃÂöglichkeit der LÃÂösung der semantischen Antinomien ist
- das Verbot der SelbstbezÃÂüglichkeit, vergleiche Sprachstufentheorie.
Nach modifizierender Auffassung geht es spezifischer um eine negative Selbstbeziehung, die in sich widersprÃÂüchlich sei.[2]
Die Kantischen Antinomien
Die vier Antinomien der reinen Vernunft in der Transzendentalen Dialektik (KrV A 426/B 454ff.) sollen bei Kant den âÃÂÃÂWiderstreit der transzendentalen IdeenâÃÂàund damit den antinomischen Charakter der reinen Vernunft ÃÂüberhaupt belegen, die einerseits Bedingtes durch Unbedingtes zu begrÃÂünden sucht, andererseits aber immer bis ins Unendliche weitere Bedingungen auffinden will. Die Antinomien bestehen aus âÃÂÃÂThesisâÃÂàund âÃÂÃÂAntithesisâÃÂÃÂ, fÃÂür die jeweils ein âÃÂÃÂBeweisâÃÂàvorgelegt wird:
- âÃÂÃÂDie Welt hat einen Anfang in der Zeit, und ist dem Raum nach auch in Grenzen eingeschlossen.âÃÂàâÃÂÃÂ
âÃÂÃÂDie Welt hat keinen Anfang, und keine Grenzen im Raume, sondern ist, sowohl in Ansehung der Zeit, als des Raumes, unendlich.âÃÂà- âÃÂÃÂEine jede zusammengesetzte Substanz in der Welt besteht aus einfachen Teilen, und es existiert ÃÂüberall nichts als das Einfache, oder das, was aus diesem zusammengesetzt ist.âÃÂàâÃÂÃÂ
âÃÂÃÂKein zusammengesetztes Ding in der Welt besteht aus einfachen Teilen, und es existiert ÃÂüberall nichts Einfaches in derselben.âÃÂà(unendliche Teilbarkeit) - âÃÂÃÂDie KausalitÃÂät nach Gesetzen der Natur ist nicht die einzige, aus welcher die Erscheinungen der Welt insgesamt abgeleitet werden kÃÂönnen. Es ist noch eine KausalitÃÂät durch Freiheit zur ErklÃÂärung derselben anzunehmen notwendig.âÃÂàâÃÂÃÂ
âÃÂÃÂEs ist keine Freiheit, sondern alles in der Welt geschieht lediglich nach Gesetzen der Natur.âÃÂà- âÃÂÃÂZu der Welt gehÃÂört etwas, das, entweder als ihr Teil, oder ihre Ursache, ein schlechthin notwendiges Wesen ist.âÃÂàâÃÂÃÂ
âÃÂÃÂEs existiert ÃÂüberall kein schlechthin notwendiges Wesen, weder in der Welt, noch auÃÂÃÂer der Welt, als ihre Ursache.âÃÂÃÂ
- Hauptartikel: Antinomien der reinen Vernunft
Zitat
- Alfred Tarski: âÃÂÃÂDas Auftauchen einer Antinomie ist fÃÂür mich ein Krankheitssymptom.âÃÂÃÂ[5]
Siehe auch
Weblinks
- Literatur zum Thema Antinomien
- Lewis White Beck:ÃÂ Antinomy of pure reason im Dictionary of the History of Ideas
- Eintrag im WÃÂörterbuch der Philosophischen Begriffe von Rudolf Eisler (1904)
Literatur
- L. Goddard, M. Johnston: The Nature of Reflexive Paradoxes: Part I. In: Notre Dame Journal of Formal Logic. 24, 1983, S. 491âÃÂÃÂ508.
- Thomas Kesselring: Die ProduktivitÃÂät der Antinomie. Hegels Dialektik im Lichte der genetischen Erkenntnistheorie und der formalen Logik. Frankfurt am Main 1981.
- Georg Klaus, Manfred Buhr (Hrsg.): Philosophisches WÃÂörterbuch. Band 1, 7. Auflage. Leipzig 1970, S. 91âÃÂÃÂ93.
- Arend Kulenkampff: Antinomie und Dialektik, Zur Funktion des Widerspruchs in der Philosophie. Stuttgart 1970.
- Franz von Kutschera, Norbert Hinske: Antinomie. In: Joachim Ritter (Hrsg.): Historisches WÃÂörterbuch der Philosophie. Band 1, Darmstadt 1971, Sp. 393âÃÂÃÂ405.
- Harald SchÃÂöndorf: Antinomie. In: Walter Brugger, Harald SchÃÂöndorf (Hrsg.): Philosophisches WÃÂörterbuch. Alber, Freiburg, Br./ MÃÂünchen 2010, ISBN 978-3-495-48213-1.
- J. F. Thomson: On some paradoxes. In: R. J. Butler (Hrsg.): Analytical Philosophy. (First Series). London 1962, S. 104âÃÂÃÂ119.
Einzelnachweise
- âÃÂàLudwik Borkowski: Formale Logik. Akademie Verlag, Berlin 1976, S. 525.
- âÃÂàa b Harald SchÃÂöndorf: Antinomie. In: Walter Brugger, Harald SchÃÂöndorf (Hrsg.): Philosophisches WÃÂörterbuch. Alber, Freiburg, Br./ MÃÂünchen 2010, ISBN 978-3-495-48213-1.
- âÃÂàBertrand Russell, Alfred North Whitehead: Principia Mathematica. In: Uwe Meixner (Hrsg.): Philosophie der Logik. Alber, 2003, ISBN 3-495-48016-1, S. 117 (122)
- âÃÂàa b Douglas R. Hofstadter: GÃÂödel, Escher, Bach. 5. Auflage. Klett-Cotta, Stuttgart 1985, ISBN 3-608-93037-X, S. 24.
- âÃÂàAlfred Tarski: Wahrheit und Beweis. In: Alfred Tarski, EinfÃÂührung in die mathematische Logik. 5. Auflage. 1977, ISBN 3-525-40540-5, S. 244 (256).